"Pflanzenkohle ist mehr als CO₂-Fixierung!"

Die klimafarmer GmbH aus Nierstein (Rheinland-Pfalz) setzt sich für eine
klimaschonende Kreislaufwirtschaft ein. Die 2020 gegründete Firma entwickelt
und vermarktet Produkte, die das Klimafarming unterstützen. Dazu gehören u.a.
torffreie Kultursubstrate, Bodenhilfsstoffe sowie Natur- und Spezialdünger auf
Basis von Pflanzenkohle. Für das Konzept „Klimawinzer“ ist die Firma in diesem
Jahr mit dem „Preis für Nachhaltigkeit Rheinhessen“ im Rahmen der
AgrarWinterTage (Mainz) ausgezeichnet worden. Das Konzept basiert auf der
Nutzung biogener Reststoffe aus dem Weinbau, welche für die Erzeugung von
Pflanzenkohle und zur Herstellung betriebseigener Bodenverbesserer genutzt
werden. Wir sprachen mit Geschäftsführer Ron Richter über das Konzept und die
Chancen, die er für die Anwendung von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft sieht.
Ron Richter: "Nur, wenn es gelingt, dass die Pflanzenkohle-Anwendung Teil der 'guten
landwirtschaftlichen Praxis' wird, können die gesteckten Klimaziele erreicht und die erforderlichen
Mengen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden."

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Sie haben den Nachhaltigkeitspreis der Agrarwinzertage erhalten für Ihr Konzept
„Klimawinzer“. Um was handelt es sich dabei?


Richter: Mit dem Konzept lösen wir drei drängende Probleme im Weinbau: Die
zunehmende Abnahme der Bodenqualität von Weinbergsböden, die Verbreitung
von Virus- und Pilzkrankheiten über infizierte Rebstöcke sowie die
umweltschonende Verwertung von Ernteresten wie Traubentrester oder Rebholz.
Das Konzept basiert zusammengefasst darauf, dass wir die holzige Biomasse wie
Rebschenkel und Wurzeln, die beim Roden von Weinbergen anfallen, oder den
jährlich anfallenden Rebschnitt mittels Pyrolyse zu Pflanzenkohle verarbeiten. Bei
600 bis 700 °C werden mögliche organische Schadstoffe und potenzielle
Infektionsrisiken eliminiert. Anstatt die freiwerdende Energie durch Verbrennung
am Feldrand verpuffen zu lassen und Feinstaub und CO zu emittieren, wird die
regenerativ erzeugte Prozesswärme genutzt und der im Ausgangsmaterial
enthaltene Kohlenstoff fixiert. Die erzeugte Pflanzenkohle lässt sich ideal mit Traubentrester oder anderen Wirtschaftsdüngern verarbeiten und bedarfsgerecht
im Weinberg ausbringen. Dies dient der Bodenverbesserung, reduziert
Nährstoffauswaschung und erhöht die Wasserhaltekraft der Weinbergsböden.


Warum ist eine Mischung von Pflanzenkohle und Trester nötig?


Richter: Traubentrester ist ein Rückstand, der bei der Kelterung der Trauben
entsteht. Pro Hektar fallen jährlich ca. 2 bis 3 t davon an. Trester enthält Stickstoff
und Phosphat und ist somit ein Düngemittel. Er wird aber laut Düngeverordnung
als Ernterückstand eingestuft und unterliegt damit nicht den Bestimmungen der
Verordnung, wenn er innerhalb von fünf Tagen nach der Kelterung ausgebracht
wird.
Wegen des immer kürzer werdenden Erntefensters der Weinlese, die heute nicht
selten innerhalb von zwei Wochen erfolgen muss, hat kaum ein Betrieb
ausreichend Zeit, sich um die Rückführung des Tresters auf der Ursprungsfläche zu
kümmern. Wird der Trester behelfsmäßig zwischengelagert, kann dies mit
unkontrollierten Nährstoffeinträgen oder sogar mit Fäulnis sowie Methan- und
Lachgas-Emissionen verbunden sein.
Die Beimischung von Pflanzenkohle kann hier gegensteuern, wertvolle Nährstoffe
puffern und Fäulnis unterbinden. Wir „Bokashieren“ den Trester im Herbst. Dazu
setzen wir dem Traubentrester u.a. Pflanzenkohle, Gesteinsmehl und
Milchsäurebakterien zu. Die Mischung wird über eine Milchsäuregärung, ähnlich
wie bei der Sauerkrautherstellung, fermentiert und haltbar gemacht. Es entsteht
ein Vitalhumus, der sich im Frühjahr ausbringen lässt – zu einer Zeit, in der die
Pflanzen die Nährstoffe gut aufnehmen und verwerten können.


Ist diese Mischung die einzige Möglichkeit, Pflanzenkohle im Weinberg auszubringen?


Richter: Nein, das dient vor allem dazu, den Trester möglichst effektiv und ohne
negative Einflüsse auf Boden und Umwelt zu verwerten. Die Menge beschränkt
sich auf die jährlich anfallende Trestermenge mit einem Anteil von rund 10 %
Pflanzenkohle. Will man dagegen den Boden im Weinberg großflächig verbessern,
wird eine Einmalgabe von 10 t aktivierte Pflanzenkohle pro Hektar für die
Neuanlage empfohlen. Im Bestand sind es je nach Bodenzustand rund 5 t, die
kombiniert mit Grünschnittkompost oder anderen lokal verfügbaren
Wirtschaftsdüngern ausgebracht werden.


Was bedeutet aktivierte Pflanzenkohle?


Richter: Pflanzenkohle ist ein Rohstoff, der erst für die gewünschte Anwendung
vorbereitet werden muss. Streng genommen müsste man dabei nicht von
Aktivierung, sondern eher von einer »Initialisierung« sprechen. Die Kohle wird
dabei mit organischen Nährstoffen beladen und mikrobiell belebt. Das ist
notwendig, weil die Rohkohle im Acker erst einmal Nährstoffe bindet und damit
den Pflanzen entzieht. Auch die Struktur unterscheidet sich: Während man bei
lehmigen Ackerböden eher eine gröbere Körnung benötigt, muss sie als
Zuschlagstoff für Gülle oder eingesetzt als Futterkohle eher fein gemahlen sein.


Lohnt es sich für den Winzer, eine eigene Pyrolyse anzuschaffen? Oder kauft man die
Kohle besser zu?


Richter: Auch hierbei gibt es keinen Königsweg. Es gibt kleinere Anlagen für den
diskontinuierlichen Betrieb, die schon für rund 40.000 € zu haben sind. Die
Kohlequalität ist top, aber die Bedienungen sind zeitaufwendig. Eine größere
Anlage mit kontinuierlichem Betrieb und einer Jahresproduktion von rund 500 t
liegt mit der erforderlichen Anlagen-Peripherie und Unterstand schnell über 1
Mio. €. Dies ist interessant für Winzergenossenschaften oder ein Zusammenschluss
größerer Weinbaubetriebe mit einem Eigenbedarf an Wärme oder der Möglichkeit
in ein Wärmenetz einzuspeisen.
Die Betreiber sollten auch Zugriff auf Biomasse haben, denn der Abschnitt von
Rebholz aus einem Weingut reicht zur Auslastung einer solchen Anlage nicht aus.
Schadholz aus Forst oder kommunaler Baumschnitt sind interessantes
Inputmaterial. Für einen Output von 500 t Kohl benötigt man in etwa das
Vierfache an Inputmaterial, also rund 2.000 t Biomasse. Eine dritte Möglichkeit ist
es, dass der Winzer die eigene Biomasse bei uns in Lohn karbonisieren lässt.
Pionier ist hier das VDP Weingut Schloss Vollrads (Rheingau), für das wir gerodete
Reben von ca. 3 ha Weinberg im Frühjahr karbonisieren.


Welche Biomasse lässt sich neben Reb- oder Waldholz noch einsetzen?


Richter: Geeignet sind vor allem ligninreiche Materialien, wie wir sie in der
Landwirtschaft häufig haben. Nussschalen und Kerne, Spelzen, Maisspindeln oder
andere Ernterückstände. Sogar Gärrest oder Hühnerkot und Pferdemist könnte
man verwenden. Mit den hohen Temperaturen von bis zu 700 °C lassen sich
Medikamentenrückstände oder Krankheitskeime eliminieren und einen
hygienisierten, lager- und transportwürdigen Dünger herstellen.


In Deutschland ist Pflanzenkohle als Bodenhilfsstoff nach der Düngemittelverordnung
nur mit einem Kohlenstoffanteil von 80 % zugelassen. Laut Experten ist dieser nur mit
Waldholz zu erreichen. Hemmt das nicht die Reststoffnutzung?


Richter: In der Tat limitiert dies die Vielfalt an Inputstoffen. Holzige Reststoffe aus
der Landwirtschaft oder der Lebensmittelindustrie werden damit kategorisch
ausgeschlossen, wobei doch genau hier das Potenzial liegt. Leider ist für einen
Großteil der Behörden Pflanzenkohle immer noch Neuland, trotz mittlerweile über
5.000 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die die Wirkung und den Nutzen im
Detail beschreiben.
Pyrolyse-technologie „Made in Germany“ mit dem entsprechenden Know-how
wandert als Folge in Länder ab, die das Potenzial erkannt haben und für sich
nutzen. Beispiele dafür sind Schweden und Dänemark, die massiv im Bereich der
Klärschlamm-Karbonisierung investieren sowie in die Speicherung von
Kohlenstoff durch Pflanzenkohle.


Wie bewertet die EU Pflanzenkohle als Düngemittel?


Richter: Seit 2022 ist Pflanzenkohle Bestandteil in der neuen EU-
Düngemittelverordnung. Hier werden auch entsprechende Qualitäten definiert für
die Nutzung auf landwirtschaftlichen Flächen. Nach EU-Öko-Verordnung ist
Pflanzenkohle aus pflanzlicher Biomasse bereits seit 2020 auf der Positivliste.
Neben den gesetzlichen Vorschriften setzen wir ergänzend auf den freiwilligen
Industriestandard des European Biochar Certificate. Das EBC definiert neben der
Qualität auch die Kohlenstoff-Senkenleistung der jeweils hergestellten
Pflanzenkohle.


Für den Klimaschutz kommt ja auch immer stärker das Thema CO₂-Festlegung ins
Spiel. Humusaufbau mithilfe von Pflanzenkohle gilt als interessante Möglichkeit. Ist
das auch ein Treiber für den Einsatz?


Richter: CO bekommt mit Pflanzenkohle als natürlicher Kohlenstoffspeicher
erstmals eine berechenbare und wahrnehmbare Gestalt. Der Rohstoff hilft dabei,
das eigene Tun sichtbar zu machen. Pflanzenkohle sollte allerdings nicht auf das
Thema C-Senke reduziert werden. In unserer Beratung steht der pflanzenbauliche
Nutzen im Vordergrund. Denn nur, wenn es gelingt, dass die Anwendung Teil der
„guten landwirtschaftlichen Praxis“ wird, können die gesteckten Klimaziele
erreicht und die erforderlichen Mengen CO aus der Atmosphäre entfernt werden.
Dabei sind Pflanzenkohle und die Technologie kein Allheilmittel, sondern vielmehr
ein Baukasten, der je nach betrieblichen oder regionalen Erfordernissen von
einzelnen Betreibern, Genossenschaften bis Kommunen angepasst und
angewendet werden kann.


Reicht die Finanzierung über den Verkauf von CO₂-Zertifikaten aus?


Richter: Die Bodenpflege ist komplex, kostet Zeit und Geld und wirkt sich nicht
direkt auf den Betriebsgewinn aus wie erforderlich. Es ist vielmehr ein Invest in
den Boden, nicht nur in die Ertragssicherung, sondern vor allem auch in die
Artenvielfalt sowie in die Entlastung und Regeneration bereits überstrapazierter
Ökosysteme. Die Finanzierung dieser Investition ist dabei eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Verkaufserlöse über CO Zertifikate aus dem
Pflanzenkohle-Einsatz sowie Humusaufbau können finanziell unterstützen, sollte
aber vielmehr als Anstoß verstanden werden, um die gesamtgesellschaftliche
Leistung der Landwirtschaft anzuerkennen und adäquat zu vergüten. Hier wirkt
die Pflanzenkohle wie im Boden auch, als eine Art Katalysator, um den Prozess in
Gang zu setzen.

Quelle: https://www.topagrar.com

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